Donnerstag, 23. Januar 2014

Die Straße

Die Straße , die alte Straße , sie ist nicht mehr da . Damals , vor langer Zeit , wann es
noch spannend war in dieser Welt zu sein , war die Straße meine Welt , war das
einzige , anscheinend ewige , Zentrum meiner Existenz . Geboren , aufgewachsen
und gestorben bin ich in dieser Straße . Im Krieg unter dem dauernden Bombenhagel
der feindlichen Luftwaffenmacht habe ich vier Jahre im Bunker der Straße geschlafen
, damals waren wir noch alle unter uns , wir kannten uns gut , und nach all diesen
Jahren gezwungener Intimität kannten wir uns noch besser . Als junger Mensch habe
ich im langen Kriegszustand nicht nur den verdorbenen Rausch des falschen
Heldentums miterlebt , ich trug eine Uniform und hatte sogar auch eine kleine Pistole
und einen Ausweis auf den ich sehr stolz war , sondern auch stufenweise und zum
Teil scheu entdeckt wie schön es ist verbotene Früchte zu geniessen . Das nächtliche
Leben zusammen mit all diesen näheren und weiteren Nachbarn , eine Art von
Kriegskommunismus mit archaischen Zügen , hatte mich zu einen Experten von
verschiedenen und ziemlich hinterhältigen Systemen der Unanständigkeit gemacht .
Niemals hätte ich so viel nackte Weiber gesehen und gespürt als in diesen verrückten
aber auch magischen Jahren meines Lebens . Dann war auf einmal der Krieg vorbei ,
und wir waren alle Sozialisten geworden . In der Straße bauten die neuen Behörden
eine Universität und rissen das alte Kloster ab . Ich studierte Wirtschaft am Anfang ,
aber nach dem Tod meines Vater entschied ich mich dennoch für meine tiefe Liebe ,
die Naturwissenschaften , und studierte mit guten Erfolg Biologie und Chemie . Die
Jahren gingen vorbei , es starb auch meine Mutter und dann kam die Heirat mit einer
Krankenschwester und die vier Kinder , drei Jungen und ein Mädel . Ich arbeitete im
Karl Marx Forschungsinstitute , nicht weit weg von meiner Straße . Mein Fachgebiet
am Ende wurde die Botanik , und viele Fachbücher die in verschieden Sprachen
übersetzt worden haben mir einen kleinen aber festgestellten internationalen Ruf
gebracht . Ich war niemals im Ausland gewesen , habe niemals die Stadt verlassen ,
habe immer in der Straße gewohnt , da bin ich geboren und da bin ich gestorben .
Diese Straße hatte ein Geheimnis , und vielleicht werde ich darüber noch etwas
erzählen . Erster Entwurf der Erzählung "Der Laden des grauen Herrn Grabdorf"
von Roberto Minichini . Mainz , 19 Januar 2014

Mein neuer Literaturblog in deutscher Sprache...

http://robertominichiniliteratur.blogspot.de/2014/01/die-strae_19.html

Mittwoch, 1. Januar 2014

Es wäre jetzt schon Schluß

Ob oben , ob unten
über den Himmeln , unter den Meeren
es wäre jetzt schon Schluß
weit , weit , weit
führt der Weg
über Gebirge und Täler
über die Strände
es führt uns immer weiter
es führt , es führt uns einfach
so
bis in das Geheimnis
des kleinen und dunklen Zimmers
wo das uralte märchenhafte leuchtet
es wäre schon Schluß dieser Reise
wenn es so sein könnte

Roberto Minichini , Mainz den 1. Januar 2014